24.04.2025

Taiwan Today

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Rauhe Schätze

01.01.1989

Die Verwendung von Stein reicht weit in eine Zeit zurück, für die es keine schriftlichen Aufzeichnungen über die Menschheit gibt. Dieses Material wurde bereits vor fast einer Million Jahren verarbeitet, als die Vorfahren der Chinesen mühselig Steinbrocken zusammenfügten, um primitive Werkzeuge und Waffen herzustellen. Mit dem langsamen Aufblühen der chinesischen Zivilisation wurden diese Steingegenstände nach und nach durch Bronze, Eisen und schließlich durch Stahl ersetzt. Eigentlich schon längst in Vergessenheit geraten, entdeckte man in China den Stein von neuem, wenngleich nicht mehr als Waffe, sondern als untrennbaren Bestandteil einer der größten chinesischen ästhetischen Errungenschaften: das Auftragen einfarbiger Tinte auf Papier mit einem Pinsel.

Die Erfindung des Tuschsteins, mit dessen Hilfe harte Tuschstäbe unter Hinzufügen von Wasser in flüssige Tusche verwandelt werden können, stellte in der Entwicklung der chinesischen Literatur einen Meilenstein dar. Zunächst entwickelte sich der Tuschstein zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel für jeden Gelehrten und Kalligraphen, bis er schließlich selbst zu einem Gegenstand künstlerischer Verehrung wurde.

Auch heute noch reiben chinesische Kalligraphen ihre Tusche mit praktisch der gleichen Technik wie vor vielen Tausenden von Jahren. Für wertvolle alte Exemplare sind Antiquitätensammler in ganz Asien bereit, Unsummen auszugeben. Und noch liegt es in der Zukunft, ob es Kugelschreiber und Computer gelingen wird, den Tuschstein, wie ehedem die Steinwerkzeuge, zu verdrängen.

Tuschstein, Tuschstab, Pinsel und Papier werden als die "Vier Schätze eines Scholaren" bezeichnet. Deren Entwicklung und Verwendung sind eng untereinander verknüpft. Im Gegensatz zu westlichen Ländern wurde in China die Schreibtinte nicht aus pflanzlichen Farbstoffen in flüssiger Form gewonnen, sondern aus in einem Sieb unter brennenden Pinienscheiten gesammeltem Ruß, der mit Naturharzen gemischt und anschließend getrocknet wurde (vgl. Free China Review, April 1986). Der gehärtete Tuschstab, dessen Größe und Form von der verwendeten Gußform abhing, war dann gebrauchsfertig: Jetzt konnte er vom Kalligraphen an der rauhen Oberfläche eines Tuschsteins gerieben werden.

An einen Tuschstein werden, abgesehen von ästhetischen Überlegungen, natürlich auch eine Reihe praktischer Anforderungen gestellt. Die erste betrifft seine Reibfähigkeit: Da sich die Tuschestäbe durch Kontakt mit Wasser allein nicht auflösen, müssen sie an einer genügend rauhen Obertläche abgerieben werden. Der Versuch, Tusche an einem minderwertigen Stein zu reiben, mag genauso erfolglos enden, als ob man Wasser aus Stein pressen wollte. Ist andererseits die Oberfläche zu rauh, können die feinen Tierborsten des Schreibpinsels, durch die Tuschtlüssigkeit gezogen, leicht Schaden erleiden. Der ideale Stein sollte deshalb das richtige Maß an Rauheit aufweisen, nicht mehr und nicht weniger.

Es ist ebenso wichtig, daß die Tinte, einmal gemahlen, nicht sofort von der Oberfläche des Steines verdunstet. Nicht selten kann man erfahrene Kalligraphen dabei beobachten, wie sie, ähnlich beim Putzen einer Kameralinse, die Reibfläche leicht anhauchen, um seine Qualität zu überprüfen. Je länger dann der kondensierte Atem am Stein sichtbar bleibt, als desto besser gilt seine Qualität. Wenngleich eine solche Prüfmethode nicht sonderlich wissenschaftlich erscheint, so wird sie doch auch heute noch angewendet. Die Art der Tuschsteine haben zwar im Laufe der Jahrhunderte einige Veränderungen erfahren, doch blieben die wichtigsten praktischen Methoden der Qualitätseinschätzung unverändert.

Um sowohl den praktischen Zweck zu erfüllen, als auch dem ästhetischen Geschmack der Kalligraphen und Sammler durch die Zeiten hindurch zu entsprechen, fanden außer Stein noch die verschiedensten Materialien für Tuschmörser Verwendung, unter anderem Keramik, Jade, lackierte Flächen, Bronze und Eisen. Dennoch waren die gebräuchlichsten Materialien stets Stein und Keramik, da sie sich am besten zum Tuschereiben eignen. Mörser aus Jade und Lackarbeit mögen zwar ästhetisch ansprechender sein, jedoch ermangelt es ihnen an der nötigen Rauheit. Bronze- und Eisenmörser haben zwar den Vorteil, daß sie von ihrer Unterseite her durch ein kleines Holzkohlenfeuer heizbar sind, und somit die Tinte in den kalten nordchinesischen Wintern vor dem Gefrieren geschützt werden kann, sind jedoch bezüglich ihrer Reibqualitäten nicht gerade ideal.

Etliche neuere archäologische Funde weisen den vermuteten Beginn des Gebrauchs von Tuschsteinen immer weiter in das chinesische Altertum zurück. 1975 entdeckten Archäologen anläßlich eines Grabfundes im Gebiet von Yünmeng (雲夢), in der Provinz Hopei, einen Tuschstein. Sein Alter wird auf etwa 2 200 Jahre geschätzt, und er ist damit der Ch'in Dynastie (221-206 v. Chr.) zuzurechnen. Diese Entdeckung war von besonderer Bedeutung, da somit erstmals das Auftreten von Tuschsteinen in vorchristlicher Zeit datiert werden konnte. Aber schon bald sollten die Archäologen dieses Datum auf noch viel frühere Zeit vorverlegen müssen.

Fünf Jahre später machte ein phänomenaler archäologischer Fund international die Runde: Ein über 5 000 Jahre alter Tuschstein wurde, nur 15 Kilometer vom neolithischen Fundort Lintung Chiangsai (臨潼姜寨遺址) entfernt, nahe der Stadt Hsian in der Provinz Shanhsi ausgegraben. Von Archäologen wird dieser Fund der neolithischen frühen Yangshao (仰韶文化) Keramikkultur zugerechnet.

Gemeinsam mit dem Stein konnten Tuschkörner und ein Wasserbehälter aus Keramik geborgen werden. Zu jener frühen Zeit gab es in China noch keine Schrift, jedoch sind viele Archäologen bereits seit längerer Zeit der Ansicht, daß viele der Muster mit Pinseln auf die Keramik gemalt wurden. Der nun zutage geförderte Pinsel stellt zusammen mit Tuschstein, Tusche und Wasserkännchen eine komplette neolithische Malausrüstung dar und ist somit bis dato die früheste Vorstufe von drei der späteren "Vier Schätze" der Gelehrten.

Trotz seines hohen Alters ist der Tuschmörser von Chiangsai keineswegs primitiv. Er verfügt über einen Deckel und eine eingedellte Reibefläche, ähnelt also seinen Nachfolgern aus um Jahrtausende jüngerer Zeit. Allerdings wurden die frühen Mörser, wie dieser aus Yünmeng, etwas anders gehandhabt als die späteren, was mit der Art der Tusche zusammenhängt. Die Tuschkörner, die gemeinsam mit den Mörsern ans Tageslicht gefördert wurden, wären zu klein gewesen, um ähnlich den jüngeren Tuschstäben in der Hand gehalten und so gerieben werden zu können. Bei beiden Funden waren hingegen Steine in der Form eines Pistills vorhanden, die dazu dienten, die Tuschkörner wie in einem Mörser zu zerstoßen.

銅雀瓦硯

Ein Tuschstein, der aus einem Dachziegel eines Palastes der Han Dynastie hergestellt wurde. Die Inschriften wurden im Laufe der Jahrhunderte von seinen verschiedenen Eigentümern eingeritzt.

Aus anderen Entdeckungen weiß man, daß Stein als Werkmaterial zur Zeit des Beginns der christlichen Zeitrechnung keine Verwendung mehr fand. Für fast ein Jahrtausend lang war hauptsächlich Keramik gefragt. Allerdings unterschieden sich diese Tuschmörser beträchtlich von anderen Keramikgegenständen jener Zeit. Dachziegel aus gebranntem Ton stellten dabei ein zwar ungewöhnliches, aber dennoch in höchstem Maße geeignetes Ausgangsprodukt für Tuschsteine dar. Aus den rechteckigen, leicht gewölbten Ziegeln, wurde in der Mitte ein schmaler Tuschgraben und ein Wasserbecken ausgemeißelt. Um eine bessere Festigkeit zu erreichen, wurden die Ziegel in den Keramiköfen bei höheren Temperaturen gebrannt, als herkömmliche Keramik. So entstand eine feine, glatte Oberfläche. Die Tuschstäbe konnten daran ohne Schwierigkeiten gerieben werden. Ferner ergab sich der Vorteil, daß Keramik die Schreibpinsel nicht beschädigt und die Verdunstung der gemahlenen Tusche verzögert.

Die Ch'engni-Tuschsteine (澄泥硯), die in der Tang-Dynastie (618-907) große Verbreitung fanden, gelten als Prachtstücke des Keramiktypus. Von allen Tuschsteinen, egal ob aus Tonerde oder anderen Materialien angefertigt, sind sie am schwierigsten herzustellen. Wie aus historischen Aufzeichnungen hervorgeht, wurde zunächst ein Stoffsack in einem fließenden Gewässer befestigt und nach etwa einem Jahr, nachdem sich darin feiner Schlamm gesammelt hatte, wieder herausgezogen. Kleine Kiesel und andere Unreinheiten wurden herausgesiebt und der verbleibende Schlamm in der Sonne getrocknet. Dieser wurde anschließend mit Huang tan t'uan (黃丹團), einem pflanzlichen Harz vermischt und verknetet. Dann wurde die Masse in einer Negativform gepreßt, durch Ritzen mit einem Messer dekoriert, aus der Form geschält und in einem Säckchen, gemeinsam mit Reishülsen und Kuhdung an einem dunklen, kühlen Ort zum Trocknen verwahrt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Ziegel etwa zehn Tage hindurch in einem Keramikofen gebrannt. Nach dem Auskühlen wurde er mit schwarzem Wachs umhüllt, in einen Bottich mit Reiswein getaucht und letztendlich etwa ein halbes Dutzend mal bei großer Hitze gedämpft.

Die Farbtönung des fertigen Tuschsteines hing vom Produktionsort sowie von anderen Faktoren, wie etwa der Brenntemperatur ab. So, wie sich die letzten beiden Stufen des Herstellungsprozesses wie die Seiten eines Buches über die chinesische Kochkunst lesen, so hören sich die Namen der verschiedenen Farbschattierungen dieser Tuschziegel wie die Speisekarte eines Fischrestaurants an. Es gibt da unter anderem ein "Garnelenkopf-Rot", ein "Krabbenpanzer-Blau", "Aal-Orange" und "Fischmagen-Weiß". Die Ch'engni-Tuschziegel waren in ihrem endgültigen Erscheinungsbild Stein sehr ähnlich und vermutlich ebenso hart. Auf Klopfen gaben sie einen metallischen Laut und selbst mit einem Stahlmesser konnte man ihre Oberfläche nicht beschädigen. Obgleich diese Tuschziegel zu ihrer Zeit höchst beliebt waren, begann ihr Stern nach der Tang-Dynastie, nicht zuletzt wegen den gewaltigen technischen Problemen bei ihrer Herstellung, bald unterzugehen.

Zu Zeiten der Sung-Dynastie (960-1279) wurden die Tuschsteine dann wieder wie früher fast ausschließlich aus Stein gefertigt. Dies entsprach dem reifen künstlerischen Verständnis jener Periode, wobei das Hauptaugenmerk nicht mehr auf die Komplexität des Herstellungsprozesses gelegt wurde, sondern auf die einfache und elegante Schönheit des Natursteines. Diese Vorliebe hat sich bis heute erhalten.

米芾螽斯瓜瓞硯

Dieses wunderschöne Beispiel eines in naturalistischem Stile gehaltenen Tuanhsi-Tuschsteines war einst im Besitz von Mi Fei, dem Meisterkalligraphen der Sung Dynastie.

Selbstverständlich war aus ästhetischen und praktischen Überlegungen heraus nicht jede Steinart geeignet. Der Sung-Gelehrte und Kalligraph Mi Fei (米芾), ein begeisterter Sammler von Tuschsteinen, berichtet in seiner Geschichte des Tuschsteines, daß Steine aus 13 Regionen Chinas als Tuschsteine Verwendung fanden. Verziert wurden die Steine durch das Eingravieren von Mustern und kalligraphischen Inschriften. Schöne Tuschsteine wurden als Kunstwerke für sich betrachtet, weit über dem Status als reine Gebrauchsartikel stehend. Zur Sung-Zeit wurde dann auch die Einheit von Tuschstein, Pinsel, Tuschstift und Papier zu den "Vier Schätzen der Scholaren" erhoben.

Nicht alle Steinarten sind auf gleiche Weise entstanden, und von allen Gebieten, aus denen das Material für die Tuschsteine der Sung herbeigeschafft wurde, galten Tuanchou (端州), Hsichou (歙州) und Ch'ing-chou (青州) als die qualitativ hochwertigsten. Bald waren in Ch'ing-chou keine geeigneten Steine mehr vorhanden, doch wurden Stücke aus Yaoho (洮河) als gleichwertig angesehen. Gemeinsam mit den Ch'engni-Tuschziegeln, die, wenngleich in geringer Anzahl, auch noch während der Sung-Zeit produziert wurden, galten diese vier Arten als Chinas berühmteste Tuschsteine. Von Antiquitätensammlern werden sie heute, ein Jahrtausend später, noch immer als die besten eingeschätzt. Darüber hinaus meißeln Künstler unserer Zeit heute immer noch Tuschsteine aus den Gebieten des früheren Tuanchou und Hsichou.

Mörser aus Tuanchou-Stein waren unter der Bezeichnung Tuanhsi-Tuschsteine (端溪硯) bekannt. Tuan-chou liegt im heutigen Landkreis Kaoyao (高要縣) in der Provinz Kuangtung. Wenn man an Kuangtungs Westfluß entlangfährt und die Stadt Chaoch'ing (肇慶) hinter sich gelassen hat, so kommt man nach einer Biegung nach Osten durch die Linyang-Schlucht (羚羊峽), an deren Südseite eine Bergkette liegt. Vom höchsten Berg dieser Kette, dem 800 Meter hohen Fuko-Berg (斧柯山), wurde die größte Menge der Tuanhsi-Steine geschürft. Die ersten Steine wurden bereits zur Tang-Zeit abgetragen, ihr Wert stieg dann in der Sung-Zeit beträchtlich und auch heute sind sie noch äußerst beliebt. Zum Beginn der Sung-Dynastie wurden die Tuanhsi-Steine bereits in über 70 Minen im Gebiet des Fuko-Berges geschürft.

Tuanhsi-Tuschsteine fühlen sich geschmeidig an, erzielen aber bei Tuschstäben höchste Reibewirkung. In ihrer Farbgebung sind sie von einem Violett, das von bläulichen bis zu fast schwarzen Tönungen reicht. Manchmal weisen die Steine schmale Streifen in rot, orange, weiß oder in anderen Farben auf, was ihre Schönheit und ihren Wert nur erhöht. Die wertvollsten Einschlüsse sind solche in grün oder orange, die "Augen" genannt werden. Diese Art der Kennzeichnung kann am Tuschstein an verschiedenen Stellen auftreten und ein begabter Künstler wird sie in seinem Entwurf berücksichtigen.

Hsichou-Tuschsteine kommen aus der Berggegend zwischen den heutigen Landkreisen Wu-yüan (婺源) in der Provinz Chianghsi und Hsichou in der Provinz Anhui. Die in dieser Gegend geschürften Steine sind lehmhaltig, ein Gestein zwischen Schieferton und Schiefer, das sowohl härter als auch glatter ist als die Steine von Tuanhsi. Bei Stoß erzeugen die Hsichou-Steine einen fast metallischen Klang. Ihre Farbschattierungen reichen von schwarz bis schwarzblau, von grün bis kaffeefarben. Hsinchou-Steine wurden in größerem Stile seit der südlichen Tang Dynastie (937-975) abgebaut.

Kaiser Li Ching (李璟) war von einem Tuschstein, den ihm der Gouverneur des Landkreises Hsichou zum Geschenk machte, so angetan, daß er eine staatliche Fabrik zum Abbau und zur Weiterverarbeitung der Steine errichten ließ. Bis zum Ende der Sung Dynastie wurden so große Mengen dieses Steines geschürft, daß für spätere Dynastien nichts mehr abzubauen blieb.

Die "rotseidenen" Tuschsteine aus Ch'ing-chou, sowie jene aus Yaoho, waren äußerst selten, da sie nie in großem Stile geschürft werden konnten. Yaoho-Tuschsteine wurden aus Steinen vom Grund des Flusses Yao, in der im entfernten Westen liegenden Provinz Kansu geschaffen. Nicht nur der Transport aus dieser entlegenen Gegend, sondern auch die Bergung der Steine vom Grund des Flusses gestaltete sich schwierig. Unter Umständen änderte der Fluß während einer Flut seinen Lauf und es wurde unklar, wo die ursprüngliche Abbaustelle gelegen war. Yaoho-Tuschsteine erscheinen mit gedämpften Schattierungen in gelb, grün und elfenbein. Alte Aufzeichnungen über Tuschsteine nannten sie die "Könige unter den Tuschsteinen", doch dies dürfte eher auf ihre Seltenheit als auf eine echte Überlegenheit gegenüber den Tuschsteinen aus Tuanhsi oder Hsichou zurückzuführen sein.

Die Herstellung von Tuschsteinen erreichte ihren Höhepunkt in der Sung Dynastie. Doch das hielt Handwerker späterer Dynastien nicht davon ab, sich nach neuen Quellen für Steine umzusehen und mit neuen Designs zu experimentieren. Ein wahrer kaiserlicher Tuschsteinfanatiker war der Ch'ing Kaiser Ch'ien Lung (1736-1796). Er hatte in der Verbotenen Stadt Tuschsteinwerkstätten errichten lassen und durchsuchte das ganze Land nach besonders schönen Exemplaren alter und neuer Tuschsteine. Er fand besonderen Gefallen an Tuschsteinen, die aus Nordchinas Sungari Fluß (松花江) stammten, und denen zuvor nicht viel Augenmerk geschenkt worden war. Ch'ien Lungs Anstrengungen regten die Tuschsteinproduktion in ganz China an. In Kuangtung, Chiangsu, Chechiang, Anhui und anderen Provinzen bildeten sich Handwerkszentren, die Steine bearbeiteten. Auch die Anzahl neuer Designs und Stilrichtungen, die unter Ch'ien Lungs Regierungszeit entstanden, übertraf praktisch alle vorhergehenden Dynastien. Die Tuschsteine im Nationalen Palastmuseum in Taipei stammen in erster Linie aus der unter seiner Leitung zusammengestellten Kollektion.

Seit der Sung Zeit war die Qualität guter Tuschsteine ein besonderes Liebkind sowohl der Scholaren, als auch der Kalligraphen. Von den "Vier Schätzen" wurde das Papier nur einmal verwendet, der Tuschstab schmolz in Kürze auf ein Nichts zusammen und Pinsel nutzten sich ab. Nur der Tuschstein, wenn er richtig aufbewahrt wurde, konnte für die Ewigkeit bestehen. Während keinerlei Anstrengungen gemacht wurden, das Papier, Tuschstäbe und Pinsel auf lange Sicht zu erhalten, so hatten die Kalligraphen ein besonders inniges Verhältnis zum Tuschstein, der ihnen unter Umständen ein ganzes Leben lang zu Diensten stehen konnte. Oft, wenn ein besonders wertvoller Tuschstein gefunden wurde, brachte der Besitzer seine eigenen kalligraphischen Inschriften daran an. Diese Gewohnheit macht es möglich, im nachhinein die Besitzer berühmter Tuschsteine, die immer wieder von Scholaren an Scholaren weitergegeben wurden und von denen jeder seine eigene Inschrift daran anbrachte, Schritt für Schritt zurückzuverfolgen. Müßig festzustellen, daß derartige Tuschsteine heute als sehr wertvolle Schätze gelten und meist in Museumsbeständen wiederzufinden sind.

蘇軾從星硯

Einer der schönsten Steine aus der Kollektion des Nationalen Palastmuseums - einst im Besitz des genialen Sung Literaten Su Shih. Ein außergewöhnlicher Tuanhsi-Stein mit "Augen" an den Ständern an der Rückseite, die die Sterne des Firmaments wiedergeben.

Es war auch nichts außergewöhnliches, daß ein Scholar bis zum Äußersten ging, um einen Tuschstein, den er besonders schätzte, sein eigen nennen zu können. So zum Beispiel ersuchte der Kaiser Hui Tsung (徽宗, 1105-1125) den Sung Scholaren und Meisterkalligraphen Mi Fei, ein kalligraphisches Werk in seiner Anwesenheit fertigzustellen. Nachdem Mi Fei fertig war, fragte ihn der von der Kalligraphie völlig entzückte Kaiser, was sich der Meister als Belohnung wünsche. Mi Fei antwortete, daß er an keine finanzielle Entlohnung denke, aber wenn der Kaiser so großzügig wäre, ihm jenen Tintenstein, den er gerade zum Anreiben der Tinte benützt hatte, zum Geschenk zu machen, so sei sein größter Wunsch bereits erfüllt.

Der Kaiser besaß eine schier unendlich große Kollektion an wertvollen Tuschsteinen und gab ihm das Stück nicht ungern, zumal er geneigt war, Mi Feis kalligraphische Dienste auch weiterhin in Anspruch zu nehmen. Nachdem der Monarch seine Bitte bewilligt hatte, brachte Mi Fei seinen Preis in aller Eile schnell in Sicherheit. Die Etikette zu Füßen des kaiserlichen Drachenthrones völlig vergessend, schnappte er den noch mit Tinte befeuchteten Stein und stopfte ihn in eine Falte seines Kleides, das er dabei beschmutzte. Glücklicherweise lachte der Kaiser darüber amüsiert und sah über den Verstoß gegen die Hofetikette hinweg.

Sowohl in der Gegenwart, als auch in der Vergangenheit, sind gute Tuschsteine sehr schwer zu finden. Wenn man einen besitzt, so bedarf er guter Pflege, eine Aufgabe, die nicht sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Wie auch immer, es gibt diesbezüglich gewisse Grundregeln, die zu beachten sind. Nach dem Abreiben der Tusche zum Beispiel sollte man den Tuschstab nie auf der Oberfläche des Tuschsteines liegen lassen. Das Harz, das zur Herstellung von Tuschstäben verwendet wird, ist so stark, daß ein Tuschstab, der auf einem feuchten Tuschstein liegen gelassen wird, an dessen Oberfläche ankleben kann. Das Entfernen des Stabes kann aber den Stein zerstören. Aus demselben Grund sollte die Oberfläche des Tuschsteines nach Gebrauch jedesmal mit Wasser gründlichst von allen Tuschrückständen gereinigt werden. Wird er nicht derart gereinigt, so kann an der Oberfläche des Steines eine Harzschicht entstehen, die die Abreibeigenschaften stören würde. Sollte aber trotz dieser Vorkehrungen Tinte am Stein zurückbleiben, so kann man den Stein in Wasser oder Ingwersaft einige Stunden einlegen und anschließend mit einer Zahnbürste schrubben. Die Oberfläche des Tuschsteines sollte natürlieh nie mit Schmirgelmitteln oder Metallgegenständen in Kontakt kommen.

Tuschsteine sind fast immer in Schächtelchen zum Schutz untergebracht, die aus Holz, Keramik oder anderen nichtkratzenden Materialien sein können. Je wertvoller der Tuschstein selbst ist, umso erwählter ist gewöhnlich auch sein Schutzschächtelchen. In vergangenen Zeiten wurden oft exotische Hölzer, wie Ebenholz, purpurfarbenes Sandelholz und Rosenholz für Tuschsteinschachteln verwendet. Um, während der Tuschstein auf seinen nächsten Einsatz wartet, einen ästhetischen Genuß vermitteln zu können, sind an der Oberfläche der Schachtel oft kalligraphische Aufschriften und andere Verzierungen eingraviert.

Der Einkauf gewöhnlicher Tuschsteine ist kein schwieriges Unterfangen. Ein Spaziergang durch das von Menschen überquellende Stadtzentrum von Taipei offenbahrt eine Fülle an Plätzen, wo Tuschsteine verkauft werden. Papierhandlungen, Geschäfte für künstlerischen und kalligraphischen Bedarf, Antiquitätengeschäfte und selbst mobile Straßenverkäufer sind nur einige der Plätze, wo Tuschsteine zum Verkauf angeboten werden. In Qualität und Preis gibt es riesige Unterschiede, beginnend irgendwo bei einem US$ bis hinauf zu tausenden und abertausenden US$. Große Auswahl ist an der Tagesordnung: neue, alte, runde, eckige - außer durch Alter und Größen unterscheiden sie sich auch nach den verschiedenen Oberflächenornamenten. Manche haben Drachen, Vögel, Blumen oder chinesische Glückssymbole eingraviert, ihre Größen variieren von faustgroß bis zu einem Durchmesser von mehr als 30 Zentimeter.

Der Wert eines Tuschsteines hängt von Qualität und Seltenheitswert des Steines, der Verarbeitung, sowie von seinem Alter ab. Die billigsten Tuschsteine können in Taipei in jedem Papierladen um die Ecke erstanden werden. Diese Art setzt sich gewöhnlich aus Steinstaub, der am Boden von Steinbrüchen zusammengekehrt, mit Harz vermischt, und anschließend in einer Form gepreßt wird, zusammen. Da derartige Tuschsteine nur eine bescheidene Reibefähigkeit gegenüber Tuschstäben haben, werden sie gewöhnlich von Volksschülern verwendet, die ihre ersten kalligraphischen Übungen im Rahmen ihrer Ausbildung machen. Heute reiben die Schüler nicht einmal mehr die Tusche selbst ab, sondern schütten fertige Flüssigtinte in den Tuschstein und benetzen dann ihre Pinsel in diesem "Tintenpott" .

An jedem sonnigen Sonntagnachmittag, wenn die Bewohner Taipeis mit ihrer Familie einen Spaziergang machen, können sie vor dem Eingang zum Neupark einen älteren Verkäufer von Tuschsteinen und Kalligraphiebedarf finden. Selbst in der Erscheinung wie ein Gelehrter oder Kalligraph, mit Brille und in blauer traditioneller chinesischer, baumwollener Steppjacke, sitzt er auf einem kleinen Klappsessel aus Bambus und bietet seine Waren feil.

"Tuschsteine, Pinsel, Tuschstäbe ... " Seine Stimme vermischt sich mit dem Gelärme der Menschenmenge, wird von dieser jedoch nicht übertönt. Auf einer breiten Decke liegen ein Dutzend oder mehr Tuschsteine in verschiedendsten Größen, Ausführungen und mit verschiedenen Verzierungen vor ihm ausgebreitet. Von Zeit zu Zeit bleiben interessierte Passanten stehen und schauen sich die Tuschsteine näher an. Ist jemand zum Kauf entschlossen, so wird der Preis, der von Größe und Qualität des Steines abhängt, gewöhnlich aber zwischen 20 und 50 US$ liegt, ausgehandelt Nicht jeder, der einen Tuschstein kauft, ist ein Kalligraph oder Sammler; manche Leute lieben es, einen gutaussehenden Tuschstein, als Andenken an die alte und hochstehende literarische Tradition des chinesischen Volkes, auf ihrem Schreibtisch zu plazieren.

停雲館硯

Ein Tuschstein aus dem ehemaligen Besitz von Wen Cheng-ming, einem der vier Meistermaler der Ming Dynastie. Aufschrift und Gravierung an der Unterseite des Tuschsteines beschreiben einen die Natur bewundernden Scholaren - ein sehr beliebtes Thema der Literati der Ming Zeit.

Für über genug Finanzkraft Verfügende ist das Sammeln von Tuschsteinen ein sich lohnendes, aber auch kostspieliges Hobby. Ernst zu nehmende Sammler mögen unter Umständen von Kalligraphie nicht viel verstehen, brauchen das auch nicht unbedingt, und geben tausende und abertausende Dollar für einen wertvollen Tuschstein aus. Tuschsteine aus Tuanchou, Hsichou und Yaoho sind heute, wie auch anno dazumal, mit Abstand die teuersten. Wenn ein Tuschstein eine kalligraphische Inschrift eines bekannten Gelehrten trägt, so hängt sein Preis vom Berühmtheitsgrad des Gelehrten, sowie von der Zeit, in der er lebte, ab. Der Großteil der sich heute im Handel befindlichen alten Tuschsteine stammt aus der Ming und Ch'ing Zeit. Frühere Stücke sind äußerst selten und erzielen astronomische Preise.

Begierige Käufer sind in Taiwans nördlicher Nachbarschaft, in Japan, am zahlreichsten. Japanische Sammler kommen oft als Touristen nach Taiwan und durchkämmen die vielen Antiquitätengeschäfte nach alten Tuschsteinen. Nicht lange um den Preis feilschend, wie etwa ihre chinesischen Kollegen, sind sie bereit, fast jeden Preis für ein Gefallen erregendes, altes Stück zu bezahlen. Aus diesem Grund reservieren viele Antiquitätenhändler ihre wertvolleren Exemplare für die japanische Kundschaft, was im Großen und Ganzen die Marktpreise antiker Tuschsteine in Taiwan in die Höhe klettern ließ.

Heutzutage basiert die Verwendung eines Tuschsteines zum Anrichten der Tusche sowohl für Kalligraphen, als auch für Lernende, eher auf freier Wahl, denn auf wirklicher Notwendigkeit. Die Zeit ist Geld Mentalität hat längst ihren Einzug in die Künste gefeiert. Zeitsparende Bedarfsartikel, wie etwa fertige Flüssigtinte oder Maschinen zum Abreiben der Tinte sind bereits überall erhältlich. Selbst wenn bis heute keine fertige Flüssigtinte erzeugt werden konnte, die in der Qualität annähernd das Niveau der durch Abreibung eines Tintenstabes hergestellten erreichen kann, erzeugt wurde, so wird sie doch aus Gründen der Bequemlichkeit von manchen Leuten bevorzugt. In diesem Fall wird die einst so noble Funktion des Tuschsteins zu nichts anderem als einem zur Befeuchtung des Pinsels nötigen Tintenbehälter reduziert.

Für den ernsthaften Kalligraphen gibt es jedoch noch eine andere Dimension der Verwendung von Tintensteinen. Das Abreiben der Tinte ist für ihn eine meditative Übung, die ihm die Gelegenheit gibt, sich selbst vor dem Verfassen eines Essays oder eines kalligraphischen Werkes innerlich zu sammeln. Unter Umständen entzündet er erst einige Räucherstäbchen, sitzt beschaulich vor seinem Schreibtisch und betrachtet den Hauch von Rauch, der wie kleine Wölkchen aus dem, aus der Hand eines alten Meister stammenden, bronzenen Weihrauchgefäß aufsteigt.

Nachdem er den schwarzen rechteckigen Tuschstein genommen hat, gießt er aus der Wasserflasche vorsichtig etwas Wasser in den Tuschstein. Dann nimmt er den Tuschstab, mit seinem kleineren Ende zur rauhen Oberfläche des Steines gerichtet, beginnt ihn langsam und besonnen in kreisförmigen Bewegungen an der rauhen Oberfläche des Tuschsteines zu reiben - des Kalligraphen Gefühlszustand wird eins mit der steten Bahn des Stabes über dem Tuschstein. Nach einigen Minuten beginnt sich das Wasser im Tuschstein schwarz zu färben und wird immer dickflüssiger. Nachdem er die gewünschte Menge Tusche in gewollter Konsistenz abgerieben hat, beginnt der Kalligraph seinen Pinsel mit der Tusche zu benetzen, streicht er an einer Stelle über die Oberfläche des Steines und mit dem Ausdruck ruhiger Bestimmtheit in seinen Augen, führt er den Pinsel zu Papier. Auf diese Weise begleitete der Tintenstein Generationen über Generationen von Kalligraphen, die es verstanden sich in dieser Form auf ihre künstlerische Tätigkeit vorzubereiten, bevor sie den Pinsel ans Papier führten.

(Deutsch von Georg Salomon)

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